So grün, so urban

Der ausgezeichnete Kirchplatz St. Viktor in Dülmen

Bestandsmaterialien wiederverwenden, einen alten Baumbestand erhalten und durch neue Bäume ergänzen: Der Nachhaltigkeitsgedanke, der die Umgestaltung des Kirchplatzes St. Viktor in Dülmen neben vielen weiteren Aspekten auszeichnet, fand auch beim Münsteraner Fachbetrieb GALABO, das die Garten- und Landschaftsbauarbeiten durchführte, großen Zuspruch: Das Projekt, bei dem das Gotteshaus nach den Arbeiten der „Hauptdarsteller“ des Platzes blieb, gefiel nicht zuletzt der Jury des „nrw.landschaftsarchitektur.preis 2024“, den der Bund Deutscher Landschaftsarchitekt:innen bdla und Baukultur Nordrhein-Westfalen vergeben: Der Dülmener Kirchplatz gehört zu den insgesamt drei „Prämierten Projekten“ dieses Jahres.

„Der Kirchplatz ist für mich ein Musterbeispiel dafür, wie sehr eine grüne Infrastruktur die Aufenthaltsqualität in Städten und Gemeinden stärken kann“, sagt auch Reiner Reimann, bei GALABO verantwortlich für den Bereich Kalkulation/Außenanlagen. „Die Menschen haben den grünen und naturnah gestalteten Bereich in der Zwischenzeit sehr gut angenommen: Hier können sich die Bürgerinnen und Bürger der Stadt begegnen, miteinander kommunizieren, aber auch verweilen und sich erholen. Zudem gibt es Spielelemente für Kinder, die sich den Raum erobern können.“

Aus der Vogelperspektive lassen sich sowohl der alte Baumbestand... 
...als auch die neuen, unter Verwendung von Bestandspflaster strahlenförmig angelegten Wege erkennen.

Ausgezeichnetes Konzept

Das ausgezeichnete Konzept für das innerstädtische Areal, das neben dem Kirchplatz auch den Marktplatz umfasst, stammt von dem Büro Lohaus · Carl · Köhlmos Landschaftsarchitekten · Stadtplaner in Hannover. Die Planungsfläche wurde in zwei sich ergänzende Einheiten aufgeteilt: den befestigten Markt, der regelmäßig für Veranstaltungen genutzt wird, und den grünen Kirchplatz, der mit einer mehr als 600-jährigen Bestattungsgeschichte eine besondere archäologische und historische Bedeutung besitzt.

Spuren der Geschichte

Gut eineinhalb Jahre, mit kleinen Unterbrechungen, waren die Landschaftsgärtner von GALABO auf der Baustelle im Herzen der 46.000-Einwohner-Stadt, gelegen zwischen Münsterland und Ruhrgebiet, tätig. Die zu bearbeitende Fläche von fast 4.000 Quadratmetern – rund 1.110 Quadratmeter Pflasterfläche und rund 2.700 Quadratmeter Rasen – glich zu Beginn der Umgestaltung einer Kraterlandschaft: Die Ausgrabungen der Archäologen an dem geschichtsträchtigen Ort hatten ihre Spuren hinterlassen – und erforderten auch Änderungen in der Planung: So fanden die Archäologen in einem Bereich, in dem eigentlich Spielgeräte errichtet werden sollten, Fundamente einer alten Lateinschule vor, das älteste Zeugnis für das Schulwesen in Dülmen. Das Bodendenkmal wurde sodann in die Planungen integriert. Zum einen wurde das Fundament mit Natursteinplatten plastisch nachgezeichnet; zum anderen entstanden an den Ecken Sitzmauern, die zum Verweilen einladen. Die Spielgeräte fanden in einem anderen Bereich ihren Platz.

                               Turm und Eingangsportal von St. Viktor, die älteste Kirche in Dülmen und die einzige
                               innerhalb der Stadtmauer...
                   ...davor die Nachbildung der Fundamente der ehemaligen Lateinschule, im zweiten Bild das
                    Bodendenkmal aus einer anderen Perspektive.

„Die Situation vor Ort und die damit verbundenen speziellen Fragen der Bauausführung erforderten eine hohe Flexibilität unseres Teams“, sagt Reiner Reimann. „Außerdem konnten wir auch immer wieder unsere Beratungskompetenz einbringen.“ Der Münsteraner Betrieb besitzt jahrelange Erfahrung in der Umsetzung umfangreicher Planungen von Landschaftsarchitekten. Pflanzungen, Wegebau, Pflasterarbeiten, Ruhezonen, Abstellflächen, Entwässerung werden aus einer Hand umgesetzt.

Höhenunterschiede im Gelände werden... 
                    ...unter anderem durch mit Cortenstahl eingefasste Baumbeete abgefangen.

Verpflichtung zur Nachhaltigkeit

Angesichts des großen und alten Baumbestands – allesamt Linden – musste das GALABO-Team bei den Bauarbeiten besonders vorsichtig vorgehen: Statt eines herkömmlichen Baggers kam bei den Arbeiten an den sechs Wegen, die auf den Kirchplatz führen, in Teilbereichen ein Saugbagger zum Einsatz. So konnten die Baumwurzeln geschont werden. Die GaLaBau-Experten nahmen das Bestandspflaster auf und verlegten es, nach einer Anpassung der Höhen, im traditionellen Segmentbogenverband neu. In Teilen musste das vorhandene Pflaster durch neues Material ergänzt werden. „Die Verwendung des vorhandenen Materials steht im Einklang mit dem Nachhaltigkeitsgedanken, für den sich auch unsere Branche stark macht“, so Reiner Reimann. „Das gilt auch für die Einbeziehung der bestehenden Bäume in das Konzept, die aus gestalterischen Gesichtspunkten sicherlich nicht optimal verortet stehen. Aber solche uralten Bäume sind einfach durch nichts zu ersetzen.“ Im Rahmen der Umgestaltung wurden von den Landschaftsgärtnern zudem zusätzlich acht neue Bäume, ebenfalls Linden, gepflanzt.

Angemessene Würde“

Das Urteil der Jury des „nrw.landschaftsarchitektur.preis 2024“, der vom Verband Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau NRW unterstützt wird:
Der Kirchplatz in Dülmen ist so ein Ort, wo sich der Laie vielleicht fragt: Was wurde denn hier überhaupt gemacht? Das ist aber das große Plus dieses Entwurfs, denn die gestalterischen Eingriffe sind so selbstverständlich gesetzt und nehmen sich sehr zurück – als wäre es tatsächlich immer so gewesen. Die Jury lobt diesen Umgang mit dem Umfeld der Kirche St. Viktor, das Gotteshaus ist der Hauptdarsteller, der Außenraum bleibt im Hintergrund. Der Entwurf setzt auf gute Details, nachhaltige Materialien und gibt dem Ensemble die angemessene Würde zurück. Das Konzept findet seinen Platz zwischen den Spuren der Geschichte, die dieser Ort erzählt. Landschaftsarchitektur „dient“ dem Stadtraum.

Weitere Informationen zu den Prämierten und weiteren eingereichten Projekten erhalten Interessierte in der Broschüre zum „nrw.landschaftsarchitektur.preis 2024“, die hier zum Download bereit steht.

Fotos: Robert Brandt/LCK; Plan: LCK