Ökologischer Erlebnisraum: die neuen
Cromfordwiesen in Ratingen

Eine historisch interessante, aber ansonsten in vielerlei Hinsicht unattraktive Wiesenfläche in Ratingen ist zum naturnahen Erlebnisraum mit einer parkähnlichen Gestaltung geworden. Gefördert mit Mitteln des Bundes zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“, hat die Stadt Ratingen hier eine Anlage geschaffen, die die industriehistorische Bedeutung des Standorts mit Aspekten der Klimafolgenanpassung, Biodiversität und Umweltpädagogik verbindet. Für die Umgestaltung der 1,7 Hektar großen Cromfordwiesen konnte der Fachbetrieb Scheidtmann aus Marl für den Garten- und Landschaftsbau gewonnen werden.

Die Cromfordwiesen gehörten zur Baumwollspinnerei Cromford in Ratingen, der ersten vollmechanischen Baumwollspinnerei auf dem europäischen Kontinent, gegründet Ende des 18. Jahrhunderts. Sie werden oft als Bleichwiesen bezeichnet, auch wenn eine solche Nutzung der Fläche nicht historisch belegt ist. Die Industrieanlage an dem Flüsschen Anger, eingebettet in einen alten englischen Landschaftspark, den Poensgenpark, ist längst Museum. Die Bleichwiesen, auf denen einst Flachs getrocknet wurde, wurden jedoch erst Mitte des vergangenen Jahres aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt: mit dem ersten Spatenstich für die anspruchsvolle Umgestaltung von einer reizlosen Grünfläche ohne Struktur und sonderlich viel biologisches Leben zu einem Raum für Erholung, Naturbeobachtung, pädagogische Bildung und Wasserrückhaltung.

Ökologische Aufwertung

Inzwischen vervollständigt das Areal den Landschaftspark und verbindet sich mit umliegenden Wald- und Naherholungsgebieten, zum Beispiel dem über Ratingen hinaus bekannten Blauen See. Die ökologische Aufwertung der Wiese wurde nicht zuletzt auch durch ein Förderprogramm des Bundes möglich: 75 Prozent der Kosten flossen aus dem Programm zur „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“. Über die gelungene Umsetzung freuten sich vor wenigen Wochen bei der Übergabe der Fläche die Verantwortlichen der Stadt Ratingen – die Federführung für die Umsetzung des Projektes lag hier bei der Abteilung Stadtgrün des Amtes Kommunale Dienste – sowie Landschaftsplaner Gerd Niedzielski von der L+S Landschaft + Siedlung AG. Die offizielle Einweihung der neuen Cromfordwiesen ist für den Sommer vorgesehen.

Ausgangssituation: die Cromfordwiesen vor der Umgestaltung./Foto: Scheidtmann GmbH
Anlegen eines mäandrierenden Gewässers an der Bahnstrecke./Foto: Scheidtmann GmbH
Bau eines Aussichtspunkts in der Nähe der Bahnstrecke mit Sitzquadern aus Sandstein./Foto: Scheidtmann GmbH
Bau des Hauptwegs, der mit Grauwacke gepflastert wird./Foto: Scheidtmann GmbH
                         Fertigstellung der „Spindel“, dem Herzstück der neuen Anlage/Foto: Scheidtmann GmbH
                        Anlieferung von 50 Obstbäume für eine neue Obstbaumwiese an der Bahnstrecke./
                        Foto:Scheidtmann GmbH

Zu den Besonderheiten des Projekts aus Sicht des Garten- und Landschaftsbaus gehörte zunächst einmal die Lage der Baustelle: „Das Areal wird zum einen zu großen Teilen von einer Bahnstrecke, auf der Güterzüge verkehren, zum anderen von altem Baumbestand eingerahmt, der geschützt werden musste. Die Baustelle konnten wir so nur auf einem Weg mit kleineren Lkw und Bagger erreichen“, erklärt Bernhold Köster, Bauleiter bei Scheidtmann. Für eine optimale Wasserrückhaltung schufen die Landschaftsgärtner zunächst unter anderem ein mäandrierendes Gewässer, das nun das vom angrenzenden Wald kommende Regenwasser aufnehmen kamen.

Gestampft, nicht gegossen:...
...Die Betonmauern rund um die Pflanzhügel sind das Ergebnis eines gemeinschaftlichen Prozesses.

Anspruchsvolles Konzept

Im Mittelpunkt des umgestalteten Bereichs steht eine Anlage, die der Form einer Wollspindel nachempfunden ist und so einen inhaltlichen Bezug zur früheren Nutzung der Wiese schafft. Entlang des geschwungenen Hauptwegs erheben sich mehrere halbovale kleine Hügel, die von Betonmauern eingefasst sind. Aus der Vogelperspektive wird am deutlichsten, dass sie den Wollfaden auf einer Spindel nachzeichnen. Die Betonmauern sind nicht gegossen, sondern gestampft: Bei diesem Verfahren wird unbewehrter Beton schichtweise eingefüllt und durch Druckstöße verdichtet. Bei der Anlage in den Cromfordwiesen heben sich die einzelnen Betonschichten in ihrer Farbigkeit voneinander ab – so wie auch die Fasern eines Wollfadens aus verschiedenen Strukturen bestehen. „Für die perfekte Mischung haben wir im Betrieb mehrere Rezepturen mit unterschiedlichen Körnungen und Farben getestet“, so Bernhold Köster. Den ästhetischen Anspruch lösten schließlich Erdtöne aus dem Braun- und Graubereich am besten ein. Die Herstellung der Mauern vor Ort erfolgte in Handarbeit: Bis zu einem Meter Höhe wurden die Betonmauern mit einem Stampfer verdichtet.

Die Bepflanzung der Hügel erfolgte mit sogenannten Färberpflanzen, aus denen einst die Rohstoffe zum Färben von Garnen gewonnen wurden – darunter die Goldgarbe „Achillea filipendulina“, die Färberkamille „Anthemis tinctoria“, der Wiesenkerbel „Anthriscus sylvestris“ oder der Färber-Meier „Asperula tinctoria“.

Den ökologischen Aspekt der Umgestaltung unterstreicht einmal mehr die neue Obstwiese entlang der Bahnstrecke: 50 Gehölze – Apfel, Birne, Mirabelle, Kirsche und Zwetsche unterschiedlicher Sorten – pflanzten die Landschaftsgärtner: „Solche Streu- oder Fallobstwiesen mit insektenfreundlichen Obstbäumen, gerne auch alten Sorten wie hier, sind artenreiche Biotope und bieten zahlreichen Tier- und Pflanzenarten wichtige Lebensräume“, so Bernhold Köster. „Darüber sind sie auch attraktiv für die Menschen, denn Pflücken ist erlaubt.“ Unter den Bäumen entsteht zudem eine Blühwiese aus regionalem Saatgut.

Ressourcenschonende Umsetzung

Besonderen Wert legten alle Beteiligten auf eine ressourcenschonende Umsetzung, bei der nach Möglichkeit alle Materialien wie zum Beispiel Oberboden, Rasendecke oder Häckselgut vor Ort verbleiben. Bernhold Köster: „Das ist bei den Cromfordwiesen sehr gut gelungen. So wurde anfallender Aushub unter anderem zum Modellieren eines neuen Aussichtspunktes verwendet.“ Dieser ermöglicht es den Menschen, den Landschaftsraum ein wenig abseits des Hauptwegs zu genießen.

Zwei Jahre zuvor hatte Scheidtmann mit der naturnahen Umgestaltung im Gebiet der Halde Hestermann in Recklinghausen bereits ein ähnlich gelagertes Projekt umgesetzt: In dem zuvor verwilderten Gebiet entstanden neue Wegestrukturen, damit die Halde für die Menschen erlebbar wurde, sowie durch Pflanzungen und Ansaaten neue Habitate. Bernhold Köster: „Solche Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der natürlichen Umwelt und zugunsten der biologischen Vielfalt werden angesichts der Klimaveränderungen immer wichtiger.“